SPRECH-Nachrichten, 21. März 2012

Leitartikel: „Der Wert der eigenen Meinung“
oder: warum es gut tut, nicht mit den Wölfen zu heulen

"Na, was sagst Du zum neuen deutschen Bundespräsidenten?"
"Was hältst Du eigentlich von diesem tollen Sparpaket?"
"Was meinst Du? Steht mir der grüne oder der blaue Pulli besser?"
"Hast Du die Neue schon gesehen? Wie findest Du sie?"

Solche oder ähnliche Fragen werden uns oft gestellt. Manchmal freuen wir uns, gefragt zu werden, manchmal antworten wir aber gar nicht gern.

Wie gehen Sie mit dem Thema "eine Meinung haben" um?

"Meine Meinung ist" sagt sich so einfach; aber ist es wirklich meine Meinung? Täglich werden wir mit unzähligen Informationen konfrontiert. Medien, Werbungen und die Menschen um uns tun ihr Bestes, um uns zu beeinflussen. Es ist alles andere als einfach, sich zu einer eigenen Ansicht durchzuringen. Es verlangt Mut zum Denken, zum kritischen Hinterfragen und Mut zur Positionierung.

Der Weg des geringeren Widerstandes wäre, entweder mit dem Strom zu schwimmen oder prinzipiell einmal dagegen zu sein. Das ist einfach. Wir kennen die Ja-Sager und die Nein-Sager; die Opportunisten und die Wutbürger. Wer aber weder mitmacht noch sich verweigert, outet sich als Selbstdenker. Und das profiliert. – Im Beruf wie im Privatleben.

Müssen wir immer eine Meinung haben?

Sokrates sagte: "Sprich, damit ich Dich sehe!"

Wann immer wir unsere Meinung kundtun, geben wir Auskunft über uns selbst und darüber, was wir vom anderen halten. Das Wichtigste dabei ist, sein Gegenüber und das Thema wertschätzend zu behandeln.

Möchte ich keine Stellung beziehen, kann ich das sagen.

Aber ich muss den Grund nennen. Z.B.: "Das hab ich mir noch gar nie überlegt. Ist aber eine interessante Sache! – Lass uns morgen diesbezüglich telefonieren, ja?"

Oder: "Liebes, ich finde Dir stehen beide Farben sehr gut. Ob ich grün oder blau mag, soll Deine Entscheidung nicht beeinflussen. Greif intuitiv zu!"

Ohne Begründung "Das interessiert mich nicht!" oder "Das geht mich nichts an." zu sagen, ist verletzend. Denn schließlich hat ja jemand an unserer Meinung Interesse bekundet und damit gesagt: Du bist mir wichtig.

Vorsicht bei „Freund oder Feind“-Kundschaftern!

Nicht immer will die fragende Person einen neuen Aspekt zu einem Thema einholen. Oft geht es schlicht darum, abzuklären ob wir uns zum Verbündeten eignen. Einer Vereinnahmung kann man sich meist freundlich und neutral entziehen.

Auch hier findet sich immer ein Grund:

„Ich kann noch nicht viel über die neue Kollegin sagen. Ich glaube, sie tut ihr bestes und wir sollten ihr Gelegenheit geben, das zu beweisen.“

Wer Meinungsmachern nicht nach dem Mund redet, und stattdessen freundlich bestimmt Position bezieht, profiliert sich – als mündiger Mitarbeiter und spannender Bekannter/Freund.

Besonnenheit …

… ist eine Tochter der Weisheit, heißt es.

Am ehesten unter Beweis stellen kann man sie bei subjektiven Stellungnahmen. Denn bei Sachauskünften oder Erzählungen berichte ich über etwas was ich – im besten Falle - weiß. Bei Meinungen muss ich überlegen, wohin ich mich stelle. In solchen Situationen gilt daher ganz besonders:

  1. Innehalten! Eine Pause vor dem Antworten zeugt von großer Souveränität.
  2. Gründe für die Position oder Gründe für das Fehlen einer solchen nennen!
  3. Bei Rückfragen: Aussagesatz und W-Frage. („Die Wirtschaftskrise ist ein großes Thema. Was genau meinst Du?“)

Wie kommuniziert man seine Meinung

Eine Meinung ist die sprachliche Wiedergabe einer subjektiven Empfindung.
Die entsprechende Formulierung beginnt somit idealer Weise mit:

  • „Ich meine“, „ich denke“, „ich hoffe“, oder „ich finde“.

Wie bei allen Aussagen gilt auch hier:

  • Viel im Indikativ und im Aktiv sprechen – das schafft Klarheit:
  • statt „ich würde meinen“ – „ich meine“,
  • statt: „man muss sagen“ – „ich behaupte, ich bin der Ansicht, …“.
  • Kompensatorische Wendungen und Floskeln streichen: „wie sie sicher wissen, eigentlich, sag ich jetzt einmal, nicht? nicht wahr?“.
  • Nicht in nebulösen Ausschweifungen und langen Sätzen „herum-eiern“.
  • Denn wie schon Sprachmeister Goethe sagte: „Getret’ner Quark wird breit, nicht stark.“

Meine Meinung

Meinungsfreiheit ist eine der größten Errungenschaften der demokratischen Gesellschaften. Sie ist zwar keine Einladung ständig und ungefragt seinen Senf dazuzugeben, aber sie fordert uns auf, kritisch und bedacht auf Geschehnisse des öffentlichen und privaten Lebens sprachlich zu reagieren. Denn das zeichnet einen freien Menschen aus – und es steht uns frei, uns selbst dazu machen.

Sprechtrainerin Petra Maria Berger: "Darüber freuen wir uns." (Foto: www.weinfranz.at)

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