SPRECH-Nachrichten, 31. Okt. 2013

Leitartikel: „Reden ist Silber, … Schweigen ist Mord.“

Nein, nein, nein. So haben wir das nicht gelernt!
Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Jawohl!
So wie: Morgenstund hat Gold im Mund.
Und: Sich regen bringt Segen.

Man kann über Sinn und Unsinn dieser alten Sprüche diskutieren. Aber dass das Schweigen vergoldet gehört, das kann mir nun wirklich keiner mehr weismachen. (Mal abgesehen von dem höflichen Schweigen, das Dummschwätzern trotzt. Das ist fein, … wenngleich ausgesprochen selten.)

Ich spreche von dem allgegenwärtigen Schweigen aus Feigheit, aus Trotz, aus Schüchternheit, aus Unterlegenheit, aus Angst, aus sprachlicher Unzulänglichkeit … und meiner Meinung das Schlimmste: aus Ignoranz und Gleichgültigkeit.

Christian Morgenstern sagte „Gespräch ist gegenseitige, distanzierte Berührung.“ Wir berühren uns, wann immer wir Worte aneinander richten. Nicht immer sind es liebevolle Berührungen. Manchmal tun sie weh. Manchmal fordern sie auf. Manchmal nähern sie sich auch nur zaghaft an. Aber immer erreichen sie jemanden. Immer schicke ich etwas zu jemandem los, der mir diese Worte wert ist.

Auch wenn oft ein Missverständnis den Worten folgt, ist das besser als Schweigen. Die Sprache ist leider begrenzt und oft brauchen wir mehrere Anläufe um uns verständlich zu machen. Aber ist das nicht letztlich das Bemühen um Verständigung – das Bemühen um den anderen? Dort wo sich Schweigen breit macht, wuchert jedenfalls die Interpretation. Und daraus entstehen noch viel mehr Missverständnisse.

Ich habe meinem renitenten halbwüchsigen Sohn von meinen Gedanken zu diesem Artikel berichtet. Er sah mich verständnislos an, hielt kurz inne und sagte: „Eh klar. Reden bis in die Morgenstunden ist besser als eine schlaflose Nacht.“ (und das obwohl zurzeit eher er der Gesprächsverweigerer ist!)

Jeder Verbalkampf ist besser als dumpfes Schweigen. Denn Worte können zwar verletzen. Aber Schweigen bringt um.

Und wo das Gespräch stirbt, stirbt allmählich jede Partnerschaft.

Weil Reden zweifelsohne auch immer etwas mit Mut zu tun hat, stimme ich Marius Müller Westernhagen zu und gröle mit ihm lautstark und enthusiastisch: „Schweigen ist feige! Reden ist Gold!“

Sprechtrainerin Petra Maria Berger: "Darüber freuen wir uns." (Foto: www.weinfranz.at)

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